Leider haben wir nicht gut geschlafen. Mitten in der Nacht startete irgendwie die Autodisko neben uns und die Beats ließen uns im Bett rotieren. Naja, dafür stehen wir jetzt im Schatten und können gemütlich ausschlafen.
Wir stehen weiterhin direkt neben der Weinkellerei von Byrrh, das wird unser Besuchsziel für die nächsten Stunden. Uns hat ein Bild angemacht, von einer Bahnhofshalle im Belle Epoque Stil, gebaut von Eiffel. Ums vorweg zu nehmen, genau das gibt’s nicht zu sehen.
Aber das wissen wir jetzt noch nicht, und so entern wir gespannt die Eingangshalle. Das ganze erinnert so ein bisschen an eine Whiskydestille, wir müssen Mara dann auch versichern, das das hier was ganz anderes ist und es auf keinen Fall stinkt. Hoffentlich ist das auch so…
Wir zahlen moderate 4 Euro pro Person, bekommen einen Audioguide (sogar in deutsch) und quasi sofort startet auch die Tour, das ist doch mal Timing. Durch ein riesiges, aufgesägtes Fass betreten wir den riesigen Komplex. Wir werden in einen dunklen Raum geleitet und ein Video läuft los. Oh je, aber so schlimm ist es dann doch nicht. Ein Film in Stummfilmmanier zeigt die Gründung des Unternehmens durch die Brüder Violet(?). Dann die Entstehung des Namens und schlussendlich den Zenit der Firma in den 20ern.
Danach werden wir in eine Plakatausstellung geleitet. Schöne bzw. eher interessante Plakate, über 100 Jahre alt, hängen hier, und zeugen vom Stil vergangener Zeiten. Dann geht’s weiter in das Fasslager. Riesige Fässer mit zigtausenden Litern Fassungsvermögen stehen hier. Auch eine Umfüllanlage bekommen wir zu sehen, alles historisch aussehend. Wir sind noch nichtmal sicher , ob die Anlage überhaupt produziert. Alle Erklärungen, Schilder, der Film sind natürlich ausschließlich auf französisch. Der Audioguide ist nett, aber hat oft nur die Erklärung „kein Audiokommentar“ parat.
Bis jetzt hab ich auch noch gar nicht erwähnt was hier produziert wird, oder? Byrrh ist ein bittersüßer, der Farbe nach hellroter französischer Aperitif mit etwa 17 Vol.-%. Es handelt sich um eine Mischung aus Rotwein, aromatisiert mit Tonic Water, Auszügen von Chinarinde sowie bestimmten Gewürzen aus der Region Languedoc-Roussillon und internationalen Gewürzen wie Zimt, Bitterorangenschalen, Enzian, Echte Kamille, Kalumba, Kaffee und Kakao. Diese Zutaten bekommen wir denn auch alle gezeigt. Na Prost, wie soll das denn schmecken? Noch erfahren wir das nicht denn wir laufen jetzt auf das größte Fass überhaupt zu, Über 1 Million Liter passen da rein, da sieht das große Fass im Heidelberger Schloss aber wie Kindergeburtstag dagegen aus.
Die Fabrik ist übrigens im großen und ganzen schon sehr stimmungsvoll im Glanz des 19 Jahrhunderts und auch noch stimmungsvoller multimedial hergerichtet. Überall sind Lautsprecher versteckt, die Kellerei und Arbeitsgeräusche wiedergeben, LED Lampen tauchen die Hallen in wechselndes stimmungsvolles (again) Licht, und mehrere quasi virtuelle Führer auf Glasplatte erzählen was (natürlich nur auf Französisch). Seit über einer Stunde warten wir nun auf die tolle Verladehalle. Wir werden nun wieder zurück geleitet und sehen sie aus der Ferne, im nächsten abgedunkelten Raum dann nur auf Video. WTF, was soll das denn. Leider können wir nix dagegen machen, unser Französich reicht auch nicht für investigatives Nachfragen. Nunja, dafür erfahren wir doch noch wie das Gebräu schmeckt was hier produziert wird.
Im nächsten Raum ist nämlich ein Pavillon, der auf der Weltausstellung in Moskau (18irgendwas) stand, aufgebaut. In ihm drei verschiedene Proben: Byrrh, eine Art Wein und etwas das Soho heisst. Also probieren wir das erste doch mal. Ah, das sollte wohl brrrh heissen, süss und bitter und nach billigem Wein schmeckt das Zeug. Der zweite und dritte Schluck gehen dann, aber wieso sollte man sowas freiwillig trinken?
Also, was nehmen wir mit? Die tolle Stahlhalle gabs nicht zu sehen, dafür eine (2013 neudesignte) multimediale Tour durch die riesige Anlage, alles nur auf französisch, aber schön gemacht und gut unterhaltend. Das Produkt ist wohl nur für Franzosen genießbar, hier nimmt man es wohl als Aperitif.
Im letzten Audioguideatemzug wird uns noch Thuir als einer der schönsten Gemeinden Frankreichs nahegelegt. Wir drehen auch wirklich eine Runde durch den Ort, können das aber nicht im geringsten nachvollziehen. Wieviel Byrrh muss man wohl trinken um den Ort schön zu finden?
Wir verlassen also Thuir Richtung Süden. Auf kleinsten Sträßchen kurven wir wieder durch schöne Landschaft, überqueren einige kleine, schöne Bergrücken, bis wir den Tech erreichen. Hier finden sich nämlich die Gorges de la Fou.
Wir essen gemütlich auf dem Parkplatz und stürzen uns dann ins Getümmel. Tja Hauptsaison ist eben Hauptsaison. Hinter der Kasse bekommt jeder einen Helm und schon sind wir drin. Die Schlucht ist eng, laut Werbung die engste der Welt. Auf Metalltreppen steigen wir nun 1,5km im tiefen Schlund nach oben. Unter uns schäumt das (recht wenige) Wasser, über uns sieht man einen kleinen Streifen blauen Himmels und rechts und links wechseln die ausgewaschenen Felsen andauernd die Farbe. Meist grau, aber auch mal weiß, oder grün vom Moos, oder auch mal orange, oder tiefschwarz. Weiter und weiter geht der Weg, die engste Stelle ist wirklich eng und hier unten ist es nach der Sommerhitze draussen angenehm kühl. Trotz dem großen Andrang macht es Spass wieder und wieder hinter die nächste Ecke zu spähen. Sogar Mara läuft die 1,5km bis zur Plattform am Ende mit 160 Höhenmetern ohne großes Murren. Allerdings haben wir sie auch mit einem Eis bestochen.
Zurück geht’s den selben Weg, macht aber nix, die Schlucht ist spannend genug. Wir haben am Eingang sogar ein Infoblatt bekommen. Dies ist allerdings gnadenlos schlecht übersetzt und überhaupt eher elegisch und wenig informativ. Eine der wenigen Informationen: Die Schlucht ist bis zu 200m hoch und 1,5km lang und wurde 1925 erstbegangen. Alles sehr schön, und obwohl wir schon einige Schluchten besichtigt haben, auf jeden Fall empfehlenswert. Den Vergleich mit gewissen Schluchten des Colorado hält sie natürlich nicht stand, aber den ziehen auch nicht wir sondern das Käsblatt vor uns…
Das Eis haben wir uns verdient und bald schon hitten wir the road wieder auf dem Weg nach Norden. Route des Cols heisst die D618 hier. Zum Glück ist die Tochter schnell eingeschlafen, denn die Kurven sind Legion. Die Landschaft ist schön und schön einsam, ganze 4 Autos begegnen uns. Über 40kmh komme ich trotzdem ganz selten hinaus. Doch irgendwann taucht St Marsal auf. Unterhalb gibt es einen schön angelegten Stellplatz. Hier sind wir ganz alleine, schauen in die Landschaft und wollen morgen mal das Dorf erkunden.
Stellplatz. ST. Marsal, mit schönen Hecken, kleinen Bäumen, Wiese und Wasserhahn