Nach dem Frühstück wenden wir uns nach Westen zur Spitze der Hoxa-Halbinsel. Hier gibt es einen kleinen aber um so geschichtsträchtigeren Walk. Dieser führt vom Tearoom ‚Bu‘ zur Küste und dann zu Bunkeranlagen, Geschützstellungen und weiteren Befestigungen des Scapa Flow. Der Scapa Flow ist eine natürliche Meeresbucht, die quasi von allen Seiten von Inseln umgeben ist, und damit einen riesigen natürlichen Hafen darstellt. Hier war während der Weltkriege die Britische Homefleet stationiert. Nur über wenige Passagen – dazu später mehr – kommt man rein oder raus. Der größte Zugang führt hier durch den Sound of Hoxa. Und dieser wurde in beiden Weltkriegen entsprechend gesichert.
Und durch diese Anlagen kann man nun hindurchwandern. Genau dies tun wir, und es beschleicht einen schon ein etwas beklemmendes Gefühl, wenn man in die Stellungen schaut und in die Magazine hinabsteigt. Wir ziehen Vergleiche mit Omaha Beach in der Normandie, aber diese Stellungen hier kamen immerhin nie zum Einsatz.
Nach knapp 1,5 Stunden sind wir wieder zurück, und düsen zum Südzipfel von South Ronaldsay. Hier wartet der ‘Tomb of the Eagles’ auf uns. Wir bekommen eine Führung auf deutsch von Marita, die vor 24 Jahre hierher ausgewandert ist. Superausführlich und auch kurzweilig genug, dass sogar unsere Tochter nicht ausfällig wird. Man darf die stein- und bronzezeitliche Exponate anfassen!
Was Haben wir also hier? Der Tomb of the Eagle war eine steinzeitliche Begräbnisstätte, die über mehrere Jahunderte genutzt wurde. Knochen von über 300 Menschen wurden hier gefunden und auch einige Grabbeigaben oder auch Gebrauchsgegenstände. Durch die gute Führung wird dem ganzen richtig Leben eingehaucht. So bekommt man die vom Gesteinsmehl der steinzeitlichen Hand“mühle“ (Stein mit Steinmulde) abgenutzen Zähne der ‚Grandma‘ gezeigt, die vielleicht 35 Jahre alt wurde. Oder auch die perfekt geschliffenen Zeremoniehämmer oder -beile. Dies alles wurde übrigens vom Besitzer der Farm Ronnie Simison ausgegraben und archäologisch aufbereitet. Dieser wartete nämlich wohl Jahrzehnte, dass die von ihm auf seiner Farm entdeckten Fundstellen ausgegraben werden. Nach all dem Warten tat er es dann schließlich selbst.
Außerordentlich gebildet verlassen wir das Museum und machen uns zum Spaziergang zu den Sites auf. Zur Anlage gehört nämlich auch der Liddle Burnt Mount, eine Anlage unbekannten Zwecks aus der Bronzezeit.
Ausgegraben wurde hier eine elliptisches Gebäude mit einem wasserdichten Becken in der Mitte (heute immer noch dicht!), einem Frischwasserzufluss, einer großen Feuerstelle und einem meterhohen Berg an geschwärzten, gesprungenen Steinen daneben. Die Erklärungen für das ganze reichen von bronzezeitlicher Sauna bis hin zu Kochhaus und das Becken fungierte als Kochtopf. Jedenfalls schauen wir uns das ganze genau an, dann wandern wir weiter zum Tomb.
Der Weg stößt an die spektakuläre Küste, die hier in ockerbraunen und schwarzen, flagstoneartigen Klippen ins rauhe Meer abfällt. Einige Minuten genießen wir die Szenerie, dann stehen wir auch schon vor dem Grab. Äußerlich unscheinbar, ist aber schon der Einstieg ein Aha-Erlebnis.
Man muss nämlich auf einem Rollwagen durch den mehrere Meter langen, aber nur halbmeterhohen Eingang reinrollen. Innen führen mehrere Kammern von der Hauptkammer ab.
Mit bereitliegenden Taschenlampen kann man hineinleuchten. Interessant, wir wollen aber schon wieder gehen, bzw. rausrollen als Mara in die kleinste Kammer reinleuchtet und sagt: Da sind noch Tote drin! Tatsächlich, da liegen noch Totenköpfe in der Winzigen Kammer. Sehr spannend, und Tochter ist ganz stolz auf ihre Entdeckung.
Irgendwann haben wir dann aber doch genug und rollen wieder ins Freie. Der Weg ist sogar ein Rundweg und so gehen wir jetzt eine ganze Zeit entlang der wunderschönen Küste. Dazu weht ein schneidend kalter Wind, aber die Sonne scheint. Orkney gefällt uns!
Im Womo wärmen wir wieder auf, und rollen alsbald wieder nach Norden. Unser nächtes Ziel heisst Italian Chapel. Dem Scapa Flow sind wir ja heute schon mal begegnet und auch dieses Ziel hat damit zu tun.
Im 2. Weltkrieg schlich sich nämlich ein deutsches U-Boot über den östlichen Zugang hier rein und versenkte ein gewaltiges Kriegsschiff der englischen Marine. Damit dies nicht wieder passiert liess Churchill die nach ihm benannten Barriers bauen, lange Dämme zwischen den Inseln, die keine Passage mehr zuliessen. Vor den Dämmen gab es auch schon eine Barriere aus dem ersten Weltkrieg, es wurden alte Schiffe in den Meerengen versenkt, Teile davon kann man sogar heute noch sehen.
Diese Sperre war aber löchrig geworden und so kam es zur der Episode mit dem U-Boot. Also, die Sperren wurden ab 1940 gebaut, zuerst mit Lohnarbeitern, später aber mit italienischen Kriegsgefangenen. Und hier schließt sich der Kreis, den diese bauten aus Wellblechhütten, Spachtel und Farbe eine wunderschöne, winzige Kirche.
Diese besichtigen wir nun, und sind wirklich begeistert. Innen eigentlich nur ein gespachteltes Gewölbe, ist sie so plastisch und genau bemalt, das man meint in einer steinernen Barock-Kirche zu stehen. Unsere Tochter wird auch noch glücklich, denn wir finden eine gelbe, gestrickte Ente. An dieser hängt ein Zettel: „Please take me HOME“. Eine Ente vom www.thelittleyellowduckproject.org. Was genau das ist werden wir zuhause rausfinden, hier ist die Verbindung zu schlecht. Einen Namen hat sie auch schon: Summer! Und sie wird von Mara direkt ins Herz geschlossen, den restlichen Tag hüpft sie nur noch mit der Ente im Arm rum und ist glücklich.
Über weitere Barriers, die jetzt immerhin noch einen zivilen Zweck haben und zwar als Strassendamm, geht es nach Kirkwall. Hier halten wir uns aber nicht länger auf sondern wenden uns gleich dem Western Mainland zu. Der Flyer dazu listet dermassen viele Sehenswürdigkeiten auf, dass wir leicht den Überblick verlieren. Aber es ist eh schon 6pm, da hat alles zu. Die Steinkreise haben vielleicht keinen Eintrit, da könnten wir unser Glück versuchen. Und das Glück ist uns weiterin hold.
Wir erreichen auf guten Strassen die Stones of Stennes. Das Tor ist offen und wir entern das Gelände. Weinge, dafür besonders schöne und hohe Steine stehen in einem ehemals perfekten Kreis. Über 5000 Jahre alt, und damit der älteste bekannte Steinkreis verrät das Schild.
Ein paar hundert Meter weiter entdecken wir dann noch steinzeitliche Siedlungreste, auch diese frei zugänglich und schön vom Abendlicht beschienen. Eine Tafel zeigt die rekonstuierten Rundhütten. Die größte muss richtig groß gewesen sein, das belegen die jetzigen Überreste.
So langsam frieren wir uns den Allerwertesten ab, aber das Licht ist so schön. Man muss Opfer bringen wenn man schöne Fotos will. Also verschieben wir das Abendessen und fahren noch weiter zum Ring of Brodgar. 27 Steine stehen hier noch, der höchste hat immerhin 4,50m, in einem Kreis von über 100m.
Und rundherum 360° geile Landschaft. Wir fühlen uns ein paar Monate zurückversetzt als wir auf Lews and Harris in den Callanish Stones standen. Die Sonne taucht alles in ein weiches Abendlicht und wir schiessen fast hundert Fotos. Es wird uns nun zu kalt, bis zum Sonnenuntergang halten wir eh nicht aus, der ist nämlich hier oben im Norden erst nach 21 Uhr. Da wir aber direkt hier stehen bleiben, haben wir den Sundown dann passend zum Abendessen.
Stellplatz: Besucherparkplatz Ring of Brodgar, nix ausser schöner Aussicht +