Die Fähre kommt noch früher an, als eigentlich gedacht. 6.40, wir sind schon um 6 aufgestanden. Örk, aber wir sind rechtzeitig am Auto und fahren als einer der ersten schon runter. Zum frühstücken quetschen wir uns jetzt durch Aberdeen und fahren nach Banchory, weltweit bekannt für seinen schönen Spielplatz. Da freut sich die Tochter, dass sie schon wieder mit der Seilbahn fahren kann.
Das schöne Dee-Tal fahren wir nun hoch. Weiter als bis Banchory kamen wir hier bis jetzt nämlich noch nicht. Nachdem wir acht Tage auf den eher kargen und noch nicht sehr grünen Shetlands waren (die Bäume, die wir sahen, kann man an einer Hand abzählen), ist das reiche Grün um uns herum sehr wohltuend. Im Hintergrund blitzen ab und zu sogar Schneeberge hervor. Wir wollen eigentlich zum Balmoral Castle und nehmen die kleinere 976. Sehr schön durch Wald und Tal. Dann biegen wir einmal falsch ab und stehen vor der Royal Lochnagar Destillery. Jo, warum nicht, da biege ich mal auf den Parkplatz ein. Bääh, Diageo steht auf dem Schild, das bedeutet no Photos, no Kids, no Fun, schade.
Aber jetzt stehen wir schonmal, dann gehen wir trotzdem mal rein. Von außen sieht es ja ganz nett aus.
Besucherzentrum ist genauso nett gemacht und die nächste Tour startet gleich. Gut, dann guck ich mir das mal an, ohne groß was über die Destille zu wissen. Und mit zwei Drams hab ich dann auch mal Royal Lochnagar im Glas gehabt.
Gesagt, getan, wir alle bekommen noch einen kleinen Film gezeigt und dann startet der Rundgang. Nunja, Produktionsprozesse wie gehabt, aber innen ist nicht ganz so alt und stylish wie z.B. bei Springbank. Eher so 60er Jahre und überraschend klein. 450000l produzieren sie im Jahr, das ist ein Zehntel von Lagavulin, oder das was Glenfiddich in zwei Wochen macht.
Zwei Brennblasen haben sie nur und auch nur eine Mashtun. Und noch klassische Wormtubs draußen im Freien. Fotos natürlich innen nicht erlaubt, dabei brannte die Brennerei vor 150 Jahren ab, da gabs noch keine Photoapparate.
Nach 40 Minuten ist die Tour rum und wir dürfen tasten. Den Standard, das ist der 12 Jährige. 48%, wenn ich recht erinnere, für 12 Jahre recht scharf und flach. (Hab keine Notizen gemacht). Der zweite ist der Triple Matured. Der ist lecker, nicht scharf, obwohl er wahrscheinlich jünger ist (NAS) und schön rund. Leider kostet die Flasche 80 Pfund, da wird auf Islay noch besseres kommen. Schöne Destille von außen, aber innen nichts neues, wir fahren weiter zum Schloss.
Das liegt gleich um die Ecke und ist schon mal sehr sympathisch organisiert. Der Parkplatz ist kostenlos – anders als bei so manch anderen in diesem Tal – und es gibt extra einen für Wohnmobile. Auf dem man übrigens nächtigen dürfte. Das haben wir zwar nicht vor, aber nett ist das auf jeden Fall. Der Eintritt ist sogar günstiger als bei Crathes und Drum. Dabei wandeln wir hier auf den Spuren der Queen.
Also rein. Die Bedeutung der Bewohner erkennt man ja an der Entfernung Tor zu Gebäude. Die ist hier so groß, dass sogar ein Fahrservice angeboten wird. Das findet Tochter wunderbar, und so müssen wir das natürlich machen. Vorne hängt so ein kurzer, lustiger Defender wie der vom Bauern von Shaun und hinten ein Hänger mit Bänken. Damit fahren wir jetzt durch dichten Wald und landen vor einem grauen Gebäude. Balmoralisch soll das hier sein. Im Volksmund wohl so genannt, hergeleitet von amoralish. Aber eigentlich nicht so schlimm, ich hatte Neuschwanstein oder ähnlich protziges erwartet.
Es handelt sich natürlich nicht um das Schloss sondern um die Ställe, bzw. Kutschenhallen. Hier bekommen wir einen Audioguide (in deutsch!) und dann können wir die 13 Stationen auf dem Plan abwandern. Das ist recht kurzweilig, denn zuerst geht es in besagte Kutschenscheune mit Ausstellung und Kutschen, dann in die Ställe mit allen Grußpostkarten der Queen aus 60 Jahren.
Dann durch den weitläufigen Park zum Garten mit seinen Gewächshäusern. Hier werden Blumen gezogen, die dann überall im Schloss stehen, wenn die Queen da ist. Im August und September ist das der Fall, dann ist das Anwesen natürlich gesperrt. Der Audioguide ist recht informativ, wenn auch manchmal etwas langatmig mit seinen (übersetzten) Originalzitaten. Das findet Tochter nicht ganz so lustig, aber sonst alles sehr interessant.
Wir auch, das ist schon ganz spannend auf den Spuren einer echten amtierenden Königin zu wandeln. Vom Staudengarten hat man einen schönen Blick auf das Schloss.
Wie gesagt, der Stil wirkt gar nicht so protzig wie angekündigt. Es ist allerdings ja auch nur die Sommerresidenz, von Queen Victoria übrigens ehemals favorisiert.
Hinter dem Garden Cottage finden wir den Wassergarten. Hier blüht es schön und das ganze ist recht Naturbelassen, schön anzuschauen.
Letzter Garten ist der versunkene Garten. Allerdings nicht im Wasser, sondern in der Erde. Es ist ein teils tiefergelegter Rosengarten mit über 100 verschiedenen Sorten. Allerdings ist von denen nicht viel zu sehen, da es wohl nur Sorten sind, die blühen, wenn die Queen da ist.
Das Wetter war die ganze Zeit schottisch. Dh Regen und Sonnenschein wechseln im Viertelstundentakt. Doch jetzt fängts richtig an zu schütten und wir flüchten uns in den Ballsaal. Das ist der einzig zugängliche Innenraum. Gar nicht so königlich, wenn ich mal sagen darf, und da so an Blair Castle LINK denke. Silbersachen aller Art sind hier ausgestellt und Gemälde. Und ein paar der typisch bunten Outfits von Queen Elizabeth – samt Hut natürlich. Da es draußen nun wirklich lange schüttet haben wir uns bald jedes Ausstellungsstück angesehen und weichen nun in Cafe aus. Mit Shop wohlgemerkt! Da Tochter nichts im Cafe will, bekommt sie einen Stift gekauft, einen wirklich königlichen Bleistift, mit Samt außen und Glitzerkrone obendrauf. Sabine und ich teilen uns einen Riesenscone.
Jetzt ist jeder zufrieden und wir schauen raus aufs nasse Schloss. Es ist jetzt bei weitem nicht so viel zu sehen wie beim bereits erwähnten Blair Castle. Oder von Gärten umgeben und im schönen Baustil wie Dunrobin LINK. Aber man atmet auf Schritt und Tritt echt königliche Atmosphäre und das hat was. Es hat sich also gelohnt. Und die Sonne scheint auch wieder und wir nutzen zur Freude der Tochter den Anhängertransport. Sooo weit ist es allerdings auch nicht.
Jetzt haben wir doch ziemlich viel Zeit hier im unteren Tal des River Dee verbracht.
Das Braemer Castle hat gerade zugemacht und es ist wirklich winzig. Aber es soll hier einen Geist geben. Wir können das jetzt nicht verifizieren, da wir nur außen herumlaufen.
Nun kurven wir weiter nach oben. Die Szenerie ist wirklich hübsch, erst Wälder, dann Moorgebiet und im Hintergrund immer wieder Schneeberge. Auch hier scheint es im Winter ordentlich zu schneien, die Strasse ist von Markierungsstangen für Schneeräumer gesäumt und wir passieren ein Skigebiet. Das fällt hier gar nicht so auf, da man keine Bäume für Pisten roden muss, es gibt schlicht keine. Der Pass, den wir passieren, heißt Devils Elbow. Nunja, keine Ahnung warum, außer das die Strasse mit 14 Prozent hinten runterführt. Teuflisch ist eher das Wetter, denn auf der Südseite geht nun ein Regen nieder, dass man denkt, man fährt durch einen Wasserfall. Also rolle ich langsam durch die Wasserwand nach unten um die erste kleine Strasse rechts über den nächsten Hügel zu nehmen.
Singleroad, juchhu, dabei haben wir noch drei Stunden vor uns. Aber die Landschaft ist hier einfach zu schön, da lohnt es sich auf kleinsten Strassen mittendurch zu fahren, statt auf dem Highway Außenrum.
Immerhin 2 Meilen fahren wir jetzt Highway dann geht’s wieder ab, immer weiter nach Westen. Wir wollen ja Schottland einmal von Ost nach West durchqueren.
Vorher fahren wir allerdings schon wieder an einer Destillerie vorbei. Edradour, nach eigener Aussage Scotlands Smallest Distillery. Nunja, in Deutschland wäre die von Marktbegleitern längst abgemahnt worden, gibt’s doch eine Handvoll weit kleinerer Distillerien. Eine davon hatten wir ja auch schon mal besucht LINK.
Schön gelegen ist sie am kleinen Bach und grünem Hang mit blühenden Bäumen. Auch die Gebäude sind hübsch weiß gestrichen. Ich habe mir auch sagen lassen, dass die Touren ganz interessant sein sollen. Dafür sind wir natürlich viel zu spät. Aber die kleine Brennerei (immerhin unabhängig, sie gehört dem Abfüller Signatory) kann bei mir außer bei der Optik nicht punkten. Der große Besucherparkplatz ist mit Schranke verschlossen, so dass wir auf einem Feldweg parken müssen. Die Besucherordnung gleich am Eingang hat es auch in sich, leider habe ich vergessen sie abzufotografieren, aber allein schon der Passus, das man nur die Toilette benutzen darf, wenn man eine Tour bucht… hallo, gehts noch? Die Besucher von heute sind die Kunden von morgen!
Zum Glück gehört Edradour nicht zu unseren Lieblingswhiskies, also können wir unbeeindruckt weiterfahren. An Aberfeldy fahren wir nun vorbei bzw. durch. An dre Brennerei vorbei, die fotogen ihr Brennhaus weit geöffnet hat und durch die hübsche Stadt durch.
Jetzt geht’s ins das Gebiet der Lochs, das wir schon mehrfach durchmessen haben. Loch Tay, Loch Awe und jede Menge anderer. Die Strecke kennen wir gut, aber so ein tolles Wetter hatten wir noch nicht. Die ganzen Bens sind frei von Wolken, und die Sonne verabschiedet sich rot unterm Horizont. Wunderbar, es lohnt sich doch immer wieder in die Nacht Reinzufahren in diesem Land. Die letzten drei Male hatten wir hier eher Wolken auf 300m übrigens.
Es läuft gut und wir nähern uns der Westküste. Doch dann stellt sich eine Baustelle dazwischen. 10 Minuten müssen wir vor einer roten Ampel warten und beobachten einen jungen Bauarbeiter beim Pöppel in verschiedener Weise aufstellen und wieder wegnehmen. Egal wie viele Arten es gibt, das zu tun, er hat sie sicherlich schon alle probiert. Dann holt uns ein Eskort-Fahrzeug ab, dem wir nun folgen müssen. Über eine kleine Nebenstrasse an der Baustelle vorbei. Das würde anderswo Umleitung heißen, hier müssen wir diesem Auto folgen, dass nur zu diesem Zweck hin- und herfährt. Das muss man mal verstehen.
Egal, ich kann nur kurz darüber sinnieren, denn schon sind wir da. Kennacraig, die Einfahrt ist nun fertig gebaut, aber den schönen Parkplatz gibt es noch, also alles gut. Wir stellen uns auf – und fallen ins Bett.
Man kann also Schottland allein auf Land- und Nebenstrassen durchqueren, aber eigentlich lohnt es sich, dafür lieber ein paar Tage Zeit zu nehmen, es ist einfach zu schön hier.
Stellplatz: Kennacraig Hafenparkplatz, nach hinten durchfahren, schöne Aussicht auf Loch und Grün +