Heute gibt sich Island nochmal alle Mühe, uns ordentlich zu beeindrucken. Das geht noch in der Nacht los. Sabine hat ja die letzten Wochen unermüdlich die Aurora Website beobachtet. Und nach 12 steigt der Index plötzlich auf ‚very high‘. Wir bleiben – mal wieder – extra lange auf und schauen wie so oft die letzten Tage raus. Nichts zu sehen. Am Myvatn hatten wir ja immerhin einen ganz leichten Hauch von Nordlicht. Ich glaube eh nicht daran, dass wir was Tolles sehen werden. Aber Mara hat gestern am Wasserfall ein Wünschespiel mit Sabine gespielt. Und Mamas Wunsch war Polarlicht.
Wir schlagen noch etwas Zeit tot im Dunkeln, damit die Augen adaptieren. Dann steigen wir mal aus. Da ist so eine Art Vorhang über uns. Ich tue das als Wolke ab. Wir steigen also wieder ein und Sabine möchte sich zum Schlafengehen umziehen. Als sie dabei aus dem Dachfenster blickt, erscheinen dort grüne Vorhänge. Halb im Schlafanzug und mit den falschen Schuhen springen wir wieder auf die Wiese.
Tatsächlich, jetzt geht es richtig ab. Grüne Vorhänge wabern über uns. Was ein Schauspiel!
Und wie schnell sich das verändert, das geben die Bilder, die man sonst so sieht, gar nicht wider. Das Nordlicht zieht sich nun über den halben Himmel, unglaublich schön.
Ich springe nach drinnen und hole die Kamera. Ich Idiot bin natürlich null vorbereitet. Immerhin einen Ersatzakku habe ich in der Tasche. Ich fummele an den Einstellungen rum. Zum Glück habe ich durch mein recht neues Hobby Astrofotographie etwas Ahnung, was ich einstellen muss.
Doch aus der Hand wird das nichts. Also Tochter geweckt. Das hatten wir ihr eh versprochen. Wenn es Polarlicht gibt, werden wir sie holen. Sie schaut ein wenig, findet es gut, aber sie ist todmüde und ihr ist kalt. Ich nutze aber die Zeit, das Stativ unter ihr rauszukramen.
Sie geht wieder ins Bett und ich fummele draußen rum. Wieso passt das nicht? Ach Mist, da ist noch die Polhöhenwiege von meiner Astromontierung drauf. Und wo ist die Kameramontierung? Keine Ahnung…Es geht doch nichts über gute Vorbereitung!
Im Endeffekt lege ich die Kamera ins Gras und stütze das Objektiv mit dem flachgelegten Stativ. Voll profimässig, ich bekomme leider auch einige Aufnahmen mit Grashalmen im Vordergrund. Oder Insekten.
Das Schauspiel über uns geht jedenfalls weiter, was ein Glück. Und so verschieden. Mal sind es die von den einschlägigen Fotos bekannten Bänder. Aber auch mal großflächig der ganze Himmel. Mal im Süden, mal im Norden, und immer direkt über uns.
Sehr spannend, natürlich ist die Speicherkarte mit der wir seit 3,5 Wochen schon fotografieren (128GB!) genau jetzt leer. Also renne ich wieder rein und hole eine neue.
Wir sind allerdings nicht die einzigen, die den Camping aufwecken. Um kurz vor zwei kommen im kurzen Abstand tatsächlich noch Autos an, die quer über den Camping fahren und natürlich die Aufnahmen versauen.
Aber das Lichtspiel hält immer noch an. Bestimmt eine Stunde tanzt über uns das grüne Licht. Dann wird es schwächer. Wie gut für uns, wir sind nämlich ziemlich eingefroren. Trotz allen Widrigkeiten habe ich ein paar einigermaßen brauchbare Aufnahmen hinbekommen. Vor allem wenn man bedenkt, dass es nicht mal richtig dunkel wurde, im August
Kurz vor drei fallen wir zufrieden ins Bett. Leider können wir nicht ausschlafen, denn es ist schönes Wetter. Nein Scherz, daran haben wir uns inzwischen gewöhnt. Wir haben die Fähre zu den Westmännerinseln gebucht, und die wollen wir gerne erreichen.
Also hauen wir uns ein paar Stunden später schon wieder aus dem Bett, machen uns routiniert fertig und düsen gen Hafen. Der ist noch gute 1,5 Stunden entfernt. Tolles Wetter, wir fahren den Vulkanen entgegen. Die Vulkanrange rund ums Lavacenter, in dem wir vor 2 Wochen waren, ist nun unser Panorama. Hekla, Katla, Eyjafällajoküll und die Felsen der Westmänner.
Auf diese fahren wir nun genau zu, brauchen wir eigentlich einfach nur weiterfahren, dummerweise ist da etwas Meer dazwischen.
Deshalb nehmen wir die Fähre, die schon auf uns wartet. Im Ticketoffice steht, wenn man ein eticket hat, muss man es nicht ausdrucken, und auf dem Zettel daneben, wenn man ein eticket hat, soll man es ausdrucken. Häh? Wir gehen zum Schalter und nach 10 Sekunden halten wir gedruckte Tickets in der Hand.
Die Fähre ist so ein wenig Calmac like. Im Innern geht es eng zu, vor allem weil die zwei Womos am Absenkdeck im Inneren vorbeigeleitet werden. Der Alkoven vor mir hat rechts und links am Dach nur noch 10cm. Zum Glück sind wir etwas schmaler.
Das Meer ist ruhig, die Sonne knallt. So kann man auf Deck stehen und die Szenerie genießen. Wir entfernen uns langsam von den Vulkanen und den gewaltigen Gletschern hinter uns. Dafür nähern wir uns schnell den hübschen Felsbrocken im Meer. Die Westmännerinseln bestehen aus einer Handvoll Eilanden, von denen aber nur das größte bewohnt ist.
Die Felsinseln, die wir nun passieren, sehen mit ihren hunderte Metern hohen Klippen unbezwingbar aus. Und doch sehe ich jeweils ein Haus darauf stehen. Und nicht unbedingt kleine. Wie kommt man dahin… als Kletterer oder mit dem Hubschrauber?
Die Hafeneinfahrt ist spektakulär. Hoch ragen die Klippen rechts. Von links kommt der erkaltete Lavastrom, von dem ich später berichten werde, ins Bild. Möwen kreischen, das Schiff tutet und dann sind wir drin.
Erstmal Mittag und dann Wanderung. Den Eldfell wollen wir besteigen. Der jüngste Vulkankrater der Welt! Am Fuß zwischen Eldfell und Helgafell parken wir. Und steigen isländisch auf. Das heißt erst geht der Weg fast waagerecht, um dann in Falllinie an der steilen Flanke anzusteigen. Wir keuchen rauf. Minütlich werden die Eindrücke gigantischer. Unter uns knirscht die feuerrote Tephra, die weiter oben fast ins Violette übergeht.
Unter uns die grüne Basis und der bunte Ort. Umrahmt von grünen und braunen Steilklippen, an die das Meer wild anbrandet, um sie bald wieder abzutragen.
Oben finden wir auch noch zwei Löcher aus denen heiße Luft aufsteigt. Wir befinden uns eben auf einem ganz jungen Vulkan. Aber wir beruhigen Tochter, dass alle Vulkane gut überwachtet werden und alle gewarnt werden.
Der jüngste Vulkan der Welt sagt der Flyer, den Tochter irgendwo mitgenommen hat. Dazu gibt es auch ein Museum. Das sehen wir schon von hier, doch das wollen wir morgen besuchen. Heute ist das Wetter definitiv zu gut.
Wir steigen nun ab. Von oben entdecken wir einen deutlich einfacheren Weg und schnell sind wir wieder unten am Auto.
Nur um auf der anderen Seite der Straße wieder aufzusteigen. Eine schwache Trittspur führt senkrecht den Hang hinauf. Oberhalb der Grasgrenze führt der Weg ausgesetzt und rutschig durch den Tephrahang. Ohje, hoffentlich finden einen besseren Rückweg sonst wird das ein Eiertanz diesen Abgrund wieder hinab.
Doch das kommt später, jetzt genießen wir die Aussicht. Auf den Krater von eben, der deutlich unter uns liegt. Und natürlich auf die gewaltige Landschaft dieser jungen Inseln. Sie soll gerade mal 10000 Jahre alt sein.
Eine noch jüngere Insel entdecken wir im Süden. Surtsey. Doch wir sind nicht ganz sicher und ziehen die Aussichtsscheibe auf dem Gipfel zu Rate. Da sind alle möglichen Landmarken verzeichnet, nur die Insel nicht. Dann wird sie es wohl nicht sein. Doch Moment, die Scheibe ist von 1952, und damit älter als die Insel. Das ist wirklich krass…
Zum Glück entdecken wir auch hier einen einfacheren Weg nach unten. Die berühmte Direttissima. In der leichten Tephra können wir nun lustig nach unten schlittern. Und haben danach ziemlich viel Vulkan im Schuh.
Bei einem kurzen Walk oberhalb des jungen Lavastroms und unten am Hafen erfahren wir noch einiges über den Vulkanausbruch 1973. Doch davon morgen mehr. Für heute lassen wir nur ein paar Bilder sprechen.
Nach zwei Gipfelbesteigungen reicht es uns nun und wir suchen den Camping. Der befindet sich vor einer beeindruckenden Steilwand. Wunderbar, wir stellen uns am höchsten Punkt mit Blick auf Surtsey auf und über uns fliegen die Papageientaucher.
Auf dem Weg zum nahen Spielplatz entdecken Tochter und ich noch (rekonstruierte) Bauernhäuser aus dem 9 Jh. Die Überreste wurden hier gefunden und stellen die ältesten Siedlungsreste auf Island dar! Sie sind drinnen sogar etwas eingerichtet, wobei die Bierbänke im zweiten Haus wohl etwas moderner sein dürften.
Camping Herjölfsdalur: herrlich gelegen, mittel teuer, Papageientaucher direkt nebenan