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Einer der Lewis Chessmen

Wandern fällt aus. Tochter hat heute ihren schlechten Tag und ist gegen alles. Wir haben Urlaub und keine Lust auf Geschrei also fahren wir direkt Richtung Strand ohne Wandern vorher. Die Wolken hängen eh etwa auf unserer Höhe. Und wir stehen ca. 100m über dem Meer. Dann renne ich mir nach dem Duschen auch den Kopf weil die Handtücher kreuz und quer im Wagen hängen. Also alles verspricht ein super Tag zu werden.

Damit es besser wird fahren wir vorher noch bei der einzigen Destillerie der Hebriden vorbei. Oder um es genauer auszudrücken, bei der einzig legalen. Ihr Name ist Abhainn Dhearg, was soviel wie ‚Roter Fluss‘ bedeutet. Wir haben leider nur eine ungefähre Adresse und ich wäre fast vorbeigerauscht wenn nicht ein Paar Fässer vorne an der Straße lägen. Das diese Destille Kontrastprogramm zu Islay werden würde, war schon vorher klar, aber es ist schon eher sehr kontrastig. Im vorderen Teil steht einiges an Schrott rum, dann kommen ein paar halbfertige kleine Schuppen, ein Wohnhaus und eine neue kleine metallene Halle. Das wars, kein Brimborium, keine Kiln, kein Farbe an den Wänden. Also genau so sieht ne illegale Destillerie aus, von außen könnte es auch ein Schrottplatz sein.

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Am roten Fluss – Schrottplatz oder Destillerie?

Nunja wir gehen mal rein, nur wo rein? Es stehen zwar überall die Türen auf, aber keiner ist da. Aha hier liegen Fässer gestapelt, dahinter ist eher Werkzeugschuppen, alles verlassen. Ich bin schon in der Stimmung umzudrehen, da entdecke ich durch ein Fenster im Wohnhaus ein Bein. Also doch jemand da! Ich klopfe frech an. Ein Typ kommt raus, ich nehme mal an der Besitzer und meint, die Führung sei da hinten im Blechschuppen, rein kommt man hintenrum. Ah ja, da gehen wir mal schauen. Tatsächlich, im Schuppen ist die gesamte Whiskyproduktion untergebracht und hier findet auch gerade eine Führung statt. Eine junge Dame erklärt bestimmt 10 Leuten die Whiskywelt. Hier ist ja doch was los. Sie meint zu mir wir sollen noch warten, sie wäre bei uns in ‚2 minutes‘. Mmh jetzt stehen wir draußen bei Windstärke sieben, aber Amara ist eh nicht mit rein zu bekommen. Beim Wort Destillerie rümpft sie schon die Nase und meint das stinkt so, da will sie nicht mehr mit rein. Wir diskutieren noch, was machen, da ruft die Dame und meint wir könnten ja schonmal was trinken. Schwups hab ich zwei kleine Plastikbecherchen in der Hand und sie füllt den aktuellen Whisky rein, den 3jährigen.

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Der 3jährige Abhainn Dearg

Die Verkostung ist denn auch spannend, wir stehen auf dem Schotterplatz zwischen halbfertigen und unansehnlichen Gebäuden, es ist kalt, der Wind pfeift uns um die Ohren und jeden Moment fängt es an zu regnen. Nase finde ich erst nicht, kein Wunder bei dem Wind und Plastikbecher. Aber mit der hohlen Hand findet man doch etwas, nur was? Im Mund dann schon jung, noch leicht metallisch und eher scharf aber kaum sprittig. Hier hat man dann auch schon Fruchtaroma und leichte Vanille und ganz zarten Rauch. Der Abgang ist furios, Früchte und ganz viel Vanille, dabei sehr lang. Also ich hab jetzt vielleicht 70/80 Whiskies probiert, aber einen der so spät aber dann fulminant kommt, hatte ich noch nicht. Kann natürlich auch an den außergewöhnlichen Tastingbedingungen liegen. Also wenn man den sich jetzt noch 10 Jahre älter vorstellt, das könnte richtig gut werden. Man merkt das Abhain Dhearg Erlebnis wandelt sich jetzt langsam ins positive. Denn die Dame verabschiedet jetzt ihre Gruppe und ich darf ins Allerheiligste.  Ich darf mich erstmal umschauen und dann fragt sie, was sie mir alles erzählen soll. Also Whiskyherstellung brauch ich jetzt wirklich nicht mehr, deshalb smalltalken wir eher und ich lasse mir die einzelnen Gerätschaften zeigen. Mälzen tun sie (natürlich) nicht selber sondern beziehen ihr Malz von der Black Isle Mälzerei bei Inverness. Getorft wird mit 8-12ppm. Aha, daher der ganz leichte Rauch.

Ich frage, ob sie nicht über einen richtig getorften nachdenken, wäre doch gerade der Hype. Sie meint, klar denken sie drüber nach, aber im Moment schaffen sie noch nicht mal die Nachfrage nach ihrem normalen. Die Gerste wird (angeblich, viele Felder haben wir nicht entdeckt und haben einen Großteil der Insel befahren) von Lewis und Harris von ihnen angebaut und dorthin geliefert.

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Ein Großteil der Whiskyherstellung auf einem Photo

Jetzt mal zu den einzelnen Teilen der laufenden Produktion. Das meiste geht auf ein Photo, alles ist natürlich mehrere Nummern kleiner als bei den etablierten Brennereien. Interessant sind die Brennblasen. 2 an der Zahl, eine Wash und eine Spirit Still. Von aussen einfache Kupfersäulen ohne Hals mit dünnen Kupferröhrchen oben. Mmh sonst kann man ja von Form und Höhe der Blase und Steigung des oberen Rohrs (wie heisst das, nachgucken?) auf den Whisky schließen, aber hier? Das erinnert mich am ehesten an die Trester (vornehm Grappa) Destillation. Außerdem benutzen sie klassische Worm Tubes, auch interessant, ich dachte die wären ein Fall fürs Museum. Der Spirit Receiver ist natürlich auch eine Miniausgabe. Der Whisky wird direkt hier in Fass gefüllt. Produktionsmenge ist übrigens 10000l im Jahr. Das ist echt wenig, die großen im Geschäft der schottischen Single Malts wir zB Glenlivet produzieren glaube ich knapp 6 Millionen Liter. Es sind 4 Leute beschäftigt, zwei ‚Boys‘ (hört sich das nicht kolonial an? 😉 kümmern sich ums Brennen und alles, Mark (der Chef) um die Finanzen und sieht nach dem rechten und sie macht die Führungen und den Verkauf. Sie meint es wäre auch richtig viel los im Sommer, teilweise richtig voll.

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Spirit Safe XS

Ich frage ob sie ein großes Lager anlegen für einen 10jährigen oder ältere. Ja klar, aber sie haben leider keinen Platz mehr und es wird auch viel Geld ins Fass gelegt, der halbfertiggestellte Bau draußen soll zB ein neues Lager und Shop werden. Ich frage seit wann denn hier Whisky gebrannt wird, die Antwort ist etwas ausweichend, sie meint sie hätten die Lizenz seit 2008. Aha, und davor? Mein Englisch ist jetzt aber nicht so toll, das ich Zwischentöne sicher mitbekomme und so frage ich da nicht weiter.

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Der andere Teil der Halle

Wir smalltalken noch ein bisschen, ich erfahre, das die Winter hier richtig worse seien, zwar nicht viel Schnee aber richtig viel Wind und waagerechter Regen und auch von unten. Aha, ich hatte mir schon überlegt, warum die Häuser keine Dachüberstände haben, wahrscheinlich genau deshalb.
Unterdessen darf ich noch den Spirit of Lewis probieren. Not macht ja erfinderisch, und da alte Whiskies teuer zu produzieren sind weil man sich extrem viel Geld erst mal ins Lager legen muss, denken sich gerade junge Destillen die tollsten Sachen aus um jungen Whisky unters Volk zu bringen. Die einen machen die dollsten Nachreifungen, die anderen NAS Abfüllungen aber hier wird’s am konsequentesten gemacht, Newmake 2-3 Monate im 1st-fill Sherry Fass, runterverdünnt auf 46%, fertig. Die Story dazu ist, das das Machwerk (darf sich ja nicht Whisky nennen, keine drei Jahre im Fass) dem nachempfunden sein soll, was die Einheimischen früher getrunken haben. Es ist tatsächlich trinkbar, man merkt den Sherryeinfluss, also dunkle Früchte, Süsse, auch die Farbe ist schon da, aber natürlich noch sehr jung, die metallische Jugend überdenkt jede vielleicht noch vorhandene Nuance, die ich hier aus dem Plastikbecher erschnüffeln könnt. Ich bin jetzt aber auch kein Tastingprofi und versuche hier nur meine Eindrücke festzuhalten.
Natürlich will ich eine Flasche erwerben, dies geschieht im Hausflur. Haha, Vincent Vega würde sagen, das ist noch nicht mal im selben Stadion wie das superschicke, aalglatte Besucherzentrum bei Bowmore. Ich muss gleich an meine Eltern denken, die ihren superguten Wein auch total unprofessionell im Hausflur verkaufen. Ich denke nach, was mir denn jetzt besser gefällt, weiss es aber auch nicht, irgendwo dazwischen wahrscheinlich, handgemachte Dinge, aber auch noch ansprechend verpackt.
Zurück zum Whisky, wie gesagt im Hausflur erwerbe ich dann eine halbliterflasche Abhainn Dhearg zum Preis von 35Pfund. Ein stolzer Preis für einen dreijährigen, aber auch wieder nicht wenn man den geringen Ausstoß der Brennerei bedenkt.
Was ist jetzt mein Fazit dieses ungewöhnlichen Brennereibesuchs. Innen hui, aussen pfui, also den Whisky sollte man im Auge behalten, mit Fasscharakter und älter könnte das richtig gut werden. Die Brennerei an sich ist ein reiner Zweckbau, in jeder Ecke könnte man optisch etwas verbessern. Das Auge trinkt bekanntlich mit und wäre diese Brennerei in der Speyside würde sie ausser ein paar Enthusiasten niemanden interessieren, aber die Lage hier in dieser abgschiedenen grandiosen Landschaft machts. Meiner Meinung (da das im Internet erscheint hier der Hinweis das dies nur meine reine Spekulation ist) wurde hier ein Schwarzbrennbetrieb legalisiert…(Es gibt übigens Gerüchte, dass demnächst auf Barra eine zweite Äußere Hebridendestillerie aufmachen soll.)

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Phänomenaler Strand bei Seilebost

So genug Whisky für heute, mit zwei Drams lässt sich auch nicht mehr so gut fahren, also besuchen wir den nahegelegenen Strand. Strand ist allerdings eine leichte Untertreibung, endlose Sandweiten erwarten uns. Das Wasser ist soweit weg, dass wir es kaum sehen, jetzt verstehen wir auch, wie der Fluplatz Barra am Strand funktioniert.

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Spass am Strand

Wir haben unseren Spass, bauen eine Burg für die Tochter, lassen die Matte ein wenig sausen und gehen ewig weit bis zum Wasser vor. (In Wahrheit ist es uns zu weit weg und wie gehen nur bis zu einem kleinen zurückgebliebenene Rest, damit die Tochter zufrieden ist). Es ist immerhin so klar und der Sand so weiss, das sie gleich zu tief reingeht, dass es ihr in die Schuhe läuft. Damit haben wir einen Grund zurück zum Bus zu gehen. Wir werden nämlich bald weggeblasen, Tochter stört das natürlich überhaupt nicht.
Doch irgendwann können wir sie loseisen, denn wir wollten ja noch nach Stornoway, dort soll es ein interessantes und zudem noch kostenloses Museum geben. Durch Mondlandschaft, dann später durch endlose Moore geht es einmal diagonal über die Insel. Der Himmel ist bedeckt, es weht ein kalter Wind, im Städtchen hängen zwar Blumenampeln, aber das reissts nicht raus. Zudem finden wir das Museum nicht, auf den Schildern ist es wohl abgeklebt, also wird wohl irgendwas damit sein, wahrscheinlich zu. Tochter verkündet, dass sie eh keine Lust auf Museum hat. Also gut noch ein paar Läden von innen angeguckt und schon düsen wir Richtung Süden zum Pass zwischen den „beiden“ Inseln Lewis und Harris. Dort hatten wir auf der Hinfahrt Wanderparkplätze registriert.

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Walkways zwischen Lewis & Harris

Dort kommen wir auch an, können uns gerade aufstellen und machen nach dem Essen noch einen Boardwalk durch die Natur. Soweit nicht spektakulär, ausser das es hier einen richtigen Nadelwald gibt, das hatten wir seit vielen Tagen nicht mehr. Und am Ende der netten Runde wartet auch noch ein funkelnagelneuer Spielplatz mitten in der Pampa, wir sind erstaunt, Tochter begeistert. Als wir dann auch noch später einen Hirsch sichten sind alle zufrieden, der Tag war dann doch nicht so schlimm wie er anfing.