Die letzte Tage hatte ich recherchiert, wo man denn überhaupt noch Schnee antreffen könnte. Gar nicht so einfach, denn die meisten höher gelegenen Orte hier im Berner Oberland liegen so auf 1100 bis 1200m. Das wäre keine signifikante Verbesserung, wir müssten wie hier mit der Bahn in den Schnee fahren. Ich möchte aber die Bustür aufmachen und in den Schnee fallen. Dafür fährt man doch Kastenwagen. Und ich hab was gefunden: Jaunpass, 1508m, Mini-Skigebiet (brauchen wir eh nicht), Langlaufloipen, Schneeschuhtrail, Winterwanderwege. Hervorragend, einen Makel gibt’s allerdings, genau dort oben befindet sich ein Campingplatz. Na gut, gehen wir halt auf den Camping, ist doch wurscht, ob wir unser Geld in Liftkarten oder Infrastruktur investieren, die wir nicht brauchen.
Auf dem Hasliberg wird übrigens heute Föhn erwartet mit 10°. Also schnell weg hier. Wir fahren am Brienzer See entlang, der trotz des trüben Wetters türkisblau leuchtet. Als wir ins Simmental einbiegen fängt es auch noch an zur regnen. Aber wir geben die Hoffnung nicht auf, sagt doch der Wetterbericht im Radio gerade eine Schneefallgrenze von 1500m voraus. Da sind wir doch nachher 8m drüber, das sollte doch reichen!
Reicht natürlich nicht, oben auf dem Jaunpass ist es zwar deutlich weißer, aber regnen tut es trotzdem. Trotzdem checke ich ein, 34 Franken pro Tag, dafür dürfen wir uns auf ein Asphaltrechteck stellen und den Sanitärbereich benutzen. Aber direkt vorm Campingplatz einfach aufstellen provoziert nur Ärger, also was solls…

ReiseberichtWohnmobilSchweiz_445

Schneetreiben am Jaunpass

Wir kochen erst mal Spaghetti mit Soße, natürlich von der Tochter gewünscht. Während dessen geht der Regen in dichten Schneefall über. Was ein schönes Bild. Schnell ist alles um uns herum weiß. Es schneit stundenlang während wir im Auto herumhängen. Ich denke, mindestens 30cm Neuschnee sind gefallen – und liegengeblieben.

ReiseberichtWohnmobilSchweiz_454

Jaunpass – Nachtwanderweg

Erst nach dem Abendessen gehen wir raus. Der Schneefall hat endlich aufgehört. Ich hatte bei einem kleinen Erkundungsgang vorher den beleuchteten Winterwanderweg entdeckt. Den nehmen wir drei jetzt. Unter unseren Schuhen knirscht der Neuschnee und die spärliche, aber ausreichende Beleuchtung sorgt für eine schöne Stimmung. Genau dafür hat es sich schon gelohnt. Und – wie gewünscht – konnten wir aus der Womotür direkt in den Schnee fallen! Tochter läuft zwar etwas ungern, aber in etwas über zwei Stunden bewältigen wir die schön angelegten 2km. Natürlich mussten wir unterwegs einige Schneemänner bauen, Schneeballschlachten abhalten und Tochter auch auf die Schulter nehmen. Zum Schluss klart es sogar auf und wir entdecken Orion und auch die Milchstraße über uns.

ReiseberichtWohnmobilSchweiz_466

Campingplatz Jaunpass – kurzeiitig eingeschneit

Am nächsten Morgen ist es leider nicht ganz so klar. Schade, aber der Wetterbericht hatte ja erst ab Mittag Sonne versprochen. Wir schlafen erst mal aus, frühstücken gemütlich und beschließen, ein wenig den Schneeschuhweg anzutesten. Dafür kann man sich hier sogar eine Wegbeschreibung runterladen. 9.1km sind uns mit Tochter eigentlich zu weit, da ihr nach spätestens 2 Stunden kalt wird in der Trage. Aber wir können ja einfach ein paar Meter schauen und jederzeit umkehren. Wie sich herausstellt müssen wir das nicht, aber das wissen wir noch nicht.

ReiseberichtWohnmobilSchweiz_507

Die Gastlosen – ein schöner Name

ReiseberichtWohnmobilSchweiz_519

Schnee

Pünktlich zum Aufbruch zeigt sich auch die Sonne. In herrlichem Sonnenschein spazieren wir die ersten km auf dem frisch planierten Winterwanderweg. Dieser ist so gut präpariert, dass Tochter die ganze Strecke läuft, und wir die Schneeschuhe in der Trage transportieren. Dann wird’s ernst, der Schneeschuhweg biegt rechts ab. Und außer einer Tourenskispur ist er noch unberührt. Ich träume schon vom Spuren in einsamer Weite. Doch während wir unser Zeug anrödeln, stapft eine Vierergruppe an uns vorbei und zerstört die unberührte Schneedecke. Ich ärgere mich gewaltig. Dies legt sich allerdings kurz später und ich nehme alles zurück. Lieber in einer bereits begangenen Schneeschuhspur mit den 20kg auf dem Rücken laufen, als in einem halben Meter Pulverschnee spuren zu müssen!

ReiseberichtWohnmobilSchweiz_533

Schneeschuhwandern in der TOP Location

Darüber hinaus ist der Weg übrigens wunderschön, erst geht’s es in sanftem Bogen an der Bergflanke entlang mit herrlichem Blick auf alpine Gipfel und grüne Täler. Dann in einen tiefverschneiten Märchenwald und wieder heraus zu neuer Aussicht ins Simmental, durch das wir übrigens gestern im Regen heraufkamen, und zum uns leider unbekannten Felsgipfel gegenüber. Tochter singt aus vollem Hals hinten in der Trage und textet dabei Weihnachtslieder lustig um. Kurzum, alles wunderbar!
Bei einer kurzen Rast stärken wir uns. Tochter ist immer noch warm, da sie einen schönen Teil gelaufen ist. Wir kehren also nicht um, sondern machen die ganze Runde!

ReiseberichtWohnmobilSchweiz_568

Es geht aufwärts!

Die Stärkung war auch nötig, denn jetzt geht es 120m Höhenmeter steil bergauf. Die Strecke ist toll, aber wir haben es etwas eilig, denn wenn Tochter kalt wird gibt’s Ärger. Also renne ich den Berg hinauf, mir wird wärmer und wärmer. Aber anhalten und Jacke aus geht auch nicht mehr, denn jetzt ist es still hinten, Tochter ist eingeschlafen. Also tropfe ich selig vor mich hin und versuche trotzdem den schönen und vor allem schön verschneiten Hochwald zu genießen. Dies gelingt und schon bald kommen wir wieder ins freie und haben einen wunderbaren Rundumblick in die Berner Alpen und die Gastlosen.

ReiseberichtWohnmobilSchweiz_572

Der Sonne entgegen!

Hier können wir auch etwas abkürzen, umrunden also nicht den Gisbüel sondern laufen direkt rüber zum Bäderegg und von dort über den Wanderweg zurück. Tochter ist inzwischen wieder aufgewacht und vermisst ihren Handschuh. Mist, wir auch! In der Trage ist er nicht mehr, also wohl irgendwo verloren. Naja, nichts zu machen, Mara bekommt Mamas Handschuhe, diese bekommt meine und ich bekomme kalte Finger, so ist das Leben. Ganz so schlimm ist es nicht, denn die Sonne scheint immer noch und Tochter und ich tanken nochmal Schokoenergie, bevor es im Schnellschritt Richtung Womo geht.
Was für eine tolle Tour, 4 Stunden haben wir gebraucht, gar kein schlechter Schnitt, vor allem da Tochter fast 3km allein gelaufen ist. Wir sind der Meinung, das war die beste Schneeschuhtour seit langem, denn es hat alles gepasst, schöne Streckenführung, tolle Aussicht, 1a Wetter, nur der fehlende Handschuh ist blöd, aber wie sagte irgendein Komiker: irgendwas iss immer!

ReiseberichtWohnmobilSchweiz_576

Eine tolle Tour – heute hat alles gepasst!

Aber der Vollständigkeit halber muss ich noch erwähnen, dass das für heute noch nicht alles war! Durchs Abendessen gestärkt beschließen wir, nochmal den Nachtwanderweg in Angriff zu nehmen. Diesmal ist er sicherlich mit der Pistenraupe geplättet und so nehmen wir natürlich den rosa Plastikbomber mit. So haben alle nochmal einen Heidenspass. Abwechselnd ziehen und fahren wir durch die Nacht. Das macht richtig Laune den romantisch beleuchteten Weg herunterzubrettern. Gut gelaunt und todmüde fallen wir ins Auto. Gute Nacht.

ReiseberichtWohnmobilSchweiz_593

Heute haben wir alles dabei!

Auch am neuen Tag passt das Wetter. Es ist diesiger als gestern und in der Ferne stehen schöne Fönwellen. Dann wird’s heute wohl nicht allzu kalt werden. Wie unkalt werden wir tatsächlich aber erst am Nachmittag erfahren.

Wir entschließen uns zu einer erneuten Schneeschuhtour. Gestern hatten wir  ja etwas abgekürzt, die fehlende Strecke rund um den Gislibüel wollen wir aber auch noch sehen.  Also steigen wir auf dem Winterwanderweg wieder die 150 Höhenmeter hinauf. Dieses Mal sind wir aber schlauer (denken wir zumindest zu diesem Zeitpunkt noch) und nehmen zusätzlich den Schlitten mit, um abends runtersausen zu können. Nahe des „Gipfels“ des Bädereggs deponieren wir das rosa Gefährt und schnallen die Schneeschuhe an. Von hier queren wir den tief verschneiten Sattel zu den Almen des Großen Bäder.

ReiseberichtWohnmobilSchweiz_599

In Richtung der Großen Bäder Almen

Herrlich scheint die Sonne auf die Südseite der Alm, sodass man vor dem Haus tatsächlich im T-Shirt rasten kann. Während die Mädels genau dies tun, laufe ich den Weg von gestern zurück, in der Hoffnung Maras zweiten Handschuh zu finden. Die Hangquerung ist seit gestern aber total verweht, hier taucht der Handschuh wohl erst bei der Schneeschmelze wieder auf. Aber vielleicht haben wir den ja im Wald verloren? Und tatsächlich, nach wenigen hundert Metern im Wald steckt der Handschuh auf einem Zaunpfosten. Ein netter Schneeschuhgeher hat ihn wohl entdeckt und vorm Zuschneien geschützt. Danke an dieser Stelle. Schnell das Ding eingepackt und zurück zu den Mädels!

ReiseberichtWohnmobilSchweiz_609

Rast mit Aussicht!

Von der Alm wenden wir uns jetzt nach Westen. Die Spur ist deutlich augetreten und führt an einer weiteren Alm vorbei zu schönem Blick in die gegenüberliegenden Wände. Heute ist die Fernsicht auch besser, da keine Wolken in den Bergen hängen. Oft schauen wir uns um und geniessen das verschneite Panorama. An der westlichsten Stelle des Trails finden wir sogar einen öffentlichen Grillplatz. Mit Sitzbänken, Rost und sogar Holz! Toll, das merken wir uns, haben wir uns doch eh schon vorgenommen, nochmal im Sommer wiederzukommen. Unspektakulär führt uns der Weg jetzt in den Wald. Langsam zieht auch eine Front über unsere Köpfe und es wird dunkler. Tochter muss zu Trage sogar überredet werden, sonst will sie nie laufen, nur jetzt, wo wir uns etwas beeilen wollen, denn ohne Sonne wird uns etwas kalt, da wir so schön durchgeschwitzt sind.

ReiseberichtWohnmobilSchweiz_624

Was eine Landschaft!

Nach insgesamt 2 Stunden erreichen wir wieder den Wanderweg und unseren Schlitten. Tochter und ich freuen uns auf die tolle Abfahrt. Also Schneeschuhe und Stöcke verpackt und alle Mann auf den Schlitten und…
…wir stehen auf der Piste! Mühsam schiebe ich uns an, wir gleiten in Schrittgeschwindigkeit ein paar Meter und stehen wieder. Was für ein Mist ist das denn? Beim greifen in den Schnee merkt man es, es sie so warm und der Schnee so angetaut, dass wir förmlich festkleben. Das Ende vom Lied: Mara sitzt enttäuscht alleine auf dem Schlitten und ich ziehe sie – abwärts!

ReiseberichtWohnmobilSchweiz_631

Auch heute wieder: Eine tolle Wanderung

Trotz allem kommen wir irgendwann wieder am Bus an und trotz der missglückten Abfahrt war es auch heute eine tolle Wanderung. Das Wochenende hier auf dem Jaunpass hat sich wirklich gelohnt und ich als nicht unbedingter Fan von Ferienwohnungen freue mich, dass auch der Womourlaub im Schnee zu dritt so gut funktioniert hat!

ReiseberichtWohnmobilSchweiz_660

Ich denke, wir kommen wieder!